Herr Hasemann auf Wolke 7 by Schuetze Silke

Herr Hasemann auf Wolke 7 by Schuetze Silke

Autor:Schuetze, Silke [Schuetze, Silke]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-11-08T16:00:00+00:00


***

Julia lag also auf dem Küchensofa in ihrer Hamburger WG in den Grindelhochhäusern. Sie trank eine Hibiskus-Himbeer-Teemischung mit dem Namen Frühlingskuss und tat sich per Laptop auf Facebook um. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass sie noch kostbare zehn Minuten Zeit hatte, bevor sie sich auf den Weg zur Arbeit machen musste. Doch dann klingelte ihr Handy, und es war ausgerechnet ihre Mutter. Julia seufzte. Ein Telefonat mit ihrer Mutter dauerte garantiert länger als zehn Minuten. Einen Moment lang erwog sie, einfach nicht abzunehmen. Aber dann siegte ihre Neugier. Ihre Mutter, die anfangs, als Julia nach Hamburg gezogen war, jeden Tag mehrfach angerufen hatte, hatte sich mittlerweile auf einen Anruf am Wochenende heruntergedimmt. Vormittags oder mittags in der Woche, so wie jetzt, rief sie normalerweise nie an. Es musste also etwas passiert sein. Vielleicht hatte das ja auch mit dem Anruf ihres Vaters vor einigen Tagen zu tun. Obwohl sie ihre Eltern gut zu kennen meinte, konnten die alten Herrschaften sie immer mal wieder überraschen. Rief ihr Vater doch an und wollte wissen, ob Mama ein Lieblingsgedicht habe! Das sollte er als ihr Mann doch wohl am besten wissen, hatte sie geantwortet, und er hatte verlegen gelacht. »Sie macht doch immer so Witze, und dann zitiert sie Blödsinns-Gedichte wie ›Hinter eines Baumes Rinde, wohnt die Made mit dem Kinde‹ … Aber ich meine ein richtiges Gedicht, in dem es um … na ja, um Liebe geht.« Julia war das Gespräch genauso peinlich gewesen wie ihm. Gedichte, zumal Lieblings- und Liebesgedichte, waren doch etwas sehr Persönliches, und man wollte das sicherlich nicht mit seinen Eltern – oder seinen Kindern – diskutieren. Ihr Freund Emmi hatte sie damals mit dem Marley-Song Is this love in seinen Bann geschlagen. Und auch nach fast einem Jahr überschwemmte Liebe zu ihm ihr Herz, wenn er leise aus diesem Lied die Zeilen sang: »We’ll be together with a roof right over our heads. We’ll share the shelter of my single bed.«

Das war ihr Lieblingsgedicht, wenn man sie fragte. Aber ihren Vater ging das nichts an. Und wenn er das Lieblingsgedicht seiner Frau nicht kannte, war das nicht ihr Problem.

Julia stellte den Laptop beiseite und nahm ab.

»Hallo Mama!«

Ihre Mutter klang aufgeregter als sonst, und Julia merkte sofort, dass sie ihr etwas verschweigen wollte. Das hörte sie schon an dem Ton, mit dem sie »Julia, mein Kind« sagte. Julia ließ sich mit einer gewissen Vorfreude auf das Telefonat ein, denn ihre Erfahrung hatte ihr immer wieder gezeigt, dass ihre Mutter am Ende doch alles erzählte. Diesmal wurde sie allerdings enttäuscht.

»Julia, mein Kind, hast du einen Moment Zeit für mich?«

»Ich muss gleich zur Arbeit. Was ist denn?«

»Bist du zufällig gerade im Internet?«

Julia Hasemann wusste, dass es ein Fehler gewesen wäre, mit Ja zu antworten. Das zog im Allgemeinen besorgte Fragen nach ihrem Sozialleben (»Siehst du auch echte Menschen?«) und ihrer Gesundheit (»Kommst du auch genügend an die frische Luft?«) nach sich. Deswegen antwortete sie vorsichtig: »Wieso?«

Ihre Mutter ignorierte ihre List. »Ich brauche dringend deine Hilfe. Kennst du



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.